Kommentierung der EU-Vorlage zur geplanten Nachhaltigkeitstaxonomie

Der Vorschlag, ein Klassifikationssystem für nachhaltige Aktivitäten zu schaffen, war bereits in den Berichten der HLEG ganz oben auf der Liste der Empfehlungen. Entsprechend grundlegend und zentral ist dieses Element mit Blick auf den ganzen EU-Aktionsplan. CRIC hat sich deshalb diese Vorlage besonders genau angeschaut und sich hier auch an der Konsultation beteiligt. Die CRIC-Kommentierung ist auch in andere Positionierungen eingeflossen, etwa in die Stellungnahme zu den vier aktuell vorliegenden Legislativpaketen gemeinsam mit FNG, ÖGUT und ökokofinanz-21.

CRIC-Kommentierung zum Vorschlag des EU-Parlaments und -Rates über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen

Hintergrund und Inhalte

Zur Umsetzung des EU-Aktionsplans Finanzierung nachhaltigen Wachstums hat die EU-Kommission mittlerweile Gesetzesvorschläge zu folgenden Bereichen vorgelegt: Entwicklung eines EU-Klassifikationssystems für nachhaltige Aktivitäten – auch als Taxonomie oder Klassifikationssystem bezeichnet, Nachhaltigkeitspflichten von institutionellen Investoren und Vermögensverwaltern, einheitliche Referenzwerten für CO2-Benchmarks und verpflichtende Integration von Nachhaltigkeit in den Kundenberatungsprozess.

Dabei nimmt das EU-Klassifikationssystem für nachhaltige Aktivitäten in den Plänen eine Schlüsselstellung ein, da es die Grundlage für andere Maßnahmen, Bestimmungen und Vorhaben begründen soll – beispielsweise für die mögliche Entwicklung von Siegeln. Der Vorschlag beschränkt sich bislang auf die ökologische Dimension von Nachhaltigkeit. Folgende Bereiche sind enthalten:  

  1. Klimaschutz (bis Dezember 2019)
  2. Anpassung an den Klimawandel (bis Dezember 2019)
  3. Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen (bis Juli 2022)
  4. Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Abfallvermeidung und Recycling (bis Juli 2021)
  5. Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung (bis Juli 2021)
  6. Schutz gesunder Ökosysteme (bis Juli 2022).

Einordnung und Anregungen

Die Entwicklung eines EU-Klassifizierungssystems für nachhaltige Aktivitäten leistet einen wichtigen Beitrag, um öffentliche und private Finanzströme zunehmend in Richtung Nachhaltigkeit umlenken zu können. Daher sind die Einführung einer Nachhaltigkeitstaxonomie und der entsprechende Legislativvorschlag ausdrücklich zu begrüßen.

Für ein solches Klassifizierungssystem ist es grundsätzlich von großer Bedeutung, dass die Kriterien für die entsprechenden Transformationspfade für Branchen und Technologien auf einer transparenten und nachvollziehbaren wissenschaftlich-fundierten Grundlage erarbeitet werden. Dazu gehört auch die Notwendigkeit, diejenigen Investitionsmöglichkeiten zu definieren, die mit Blick auf die Bewältigung der ökologischen und sozialen Herausforderungen unserer Zeit vermieden werden sollten. Zudem ist es von großer Relevanz, die Praxis nachhaltigen Investierens – etwa die gängigen nachhaltigen Anlagestrategien wie Themen- u. Direktinvestments, Best-in-Class, normbasierte Investments, Ausschlusskriterien, Impact Investing, Integration von ESG Faktoren, Stimmrechtsausübung und Engagement  – bei der Entwicklung der Taxonomie und mit Blick auf deren spätere Anwendung mitzudenken.

Darüber hinaus sind folgende Punkte von Bedeutung:

Ausgewogene Zusammensetzung der Plattform für ein nachhaltige Finanzwesen

Es ist von größter Wichtigkeit, die Taxonomie nach ihrer Einführung kontinuierlich zu überprüfen, weiterzuentwickeln und anzupassen. Daher ist der Plan zu begrüßen, hierfür eine Plattform für ein nachhaltiges Finanzwesen einzurichten. Diese Fachgruppe sollte – wie im Entwurf formuliert – aus den relevanten Akteuren bestehen, einschließlich Finanzmarktakteuren, Universitäten, Forschungsinstituten, Verbänden und Organisationen der Zivilgesellschaft. Vor dem Hintergrund der Zusammensetzung ähnlicher Fachgremien in der Vergangenheit sehen wir jedoch Anlass zur Sorge, dass bestimmte Interessengruppen erneut unterrepräsentiert sein könnten.

Bei der Auswahl der Mitglieder des Beratungsgremiums sollte deshalb ein besonderes Gewicht auf Vertreter und Vertreterinnen aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Akteure mit spezifischer Ausrichtung auf Nachhaltigkeit gelegt werden. Darüber hinaus sollten die Rahmenbedingungen der Plattform für ein nachhaltiges Finanzwesen sowie das Auswahl-Procedere so organisiert sein, dass sie eine Mitarbeit der genannten Gruppen tatsächlich ermöglichen. 

Konkrete Pläne für die Ausdehnung der Taxonomie auf die soziale Dimension

Im Vorschlag wird ausgeführt, dass andere Nachhaltigkeitsziele, einschließlich sozialer Ziele, zu einem späteren Zeitpunkt hinzugenommen werden können bzw., dass diese Frage Gegenstand einer Überprüfungsklausel ist. Das klingt enttäuschend vage. Es ist bereits eine Schwachstelle der Verordnung, dass sie – wie bereits im HLEG-Abschlussbericht und dem Aktionsplan der EU-Kommission angelegt – die soziale Dimension vernachlässigt.

Stattdessen sollte die Verordnung konkrete Pläne enthalten, wann und wie die soziale Dimension und weitere Nachhaltigkeitsaspekte in die Taxonomie aufgenommen werden.

Wechselwirkungen zwischen ökologischen und sozialen Aspekten 

Vor dem Hintergrund der bedauerlichen Tatsache, dass die soziale Dimension im Vorschlag der EU-Kommission fehlt, ist allerdings positiv hervorzuheben, dass soziale und arbeitsrechtliche Mindeststandards berücksichtigt werden sollen. Darüber gibt es jedoch vielfache Wechselwirkungen zwischen sozialen und ökologischen Aspekten. Die Vernachlässigung sozialer Aspekte könnte zudem die Akzeptanz und Unterstützung der Öffentlichkeit unterminieren, die für eine erfolgreiche Umsetzung erforderlich ist.

Wechselwirkungen zwischen sozialen und ökologischen Aspekten sollten systematisch in die Entwicklung der Taxonomie integriert werden, indem beispielsweise auf aktuelle Forschungsprojekte wie Investing in a Just Transition Bezug genommen wird.

Risikobewertung, Rebound- und Lock-in-Effekte

Technologische Innovationen haben das Potenzial, entscheidend zur Bewältigung der ökologischen und sozialen Herausforderungen beizutragen. Gleichzeitig können Technologien Risiken beinhalten, etwa giftige Abfälle, die durch bestimmte Technologien erzeugt werden, oder Kontroversen im Zusammenhang mit der Beschaffung bestimmter Ressourcen. Es können damit negative und unerwünschte Nebenwirkungen wie auch Rebound- und Lock-in-Effekte entstehen.

Eine gründliche Risikobewertung sowie die Berücksichtigung möglicher unerwünschter Nebenwirkungen sollten integraler Bestandteil bei der Entwicklung der Taxonomie sein.

Vermeidung von Wettbewerbsnachteilen in der Einführungsphase

Der Entwurf enthält einen klaren Zeitplan, bis wann Screening-Kriterien für die sechs Umweltbereiche ausgearbeitet werden sollen. Ferner wird festgelegt, dass die Akteure, die ökologisch-nachhaltige Finanzprodukte anbieten, Informationen darüber offenlegen, wie und in welchem Umfang die in dem Entwurf dargelegten Kriterien verwendet werden. In Bezug auf die schrittweise Einführung der Taxonomie heißt es lediglich, dass im Falle der Auffassung auf Seiten der Anbieter, ökologisch-nachhaltig relevante wirtschaftliche Tätigkeiten seien in der Taxonomie noch nicht erfasst, die EU-Kommission zu informieren sei.

Es muss eine fundierte Lösung für die Einführungsphase entwickelt werden, die sicherstellt, dass Anbieter von Finanzprodukten keinen Wettbewerbsnachteil erfahren, die sich auf ökologische und/oder insbesondere auch soziale Kriterien beziehen, die von der Taxonomie (noch) nicht erfasst sind. Die Taxonomie darf keine negativen Anreize dafür setzen, Produkte anzubieten oder zu entwickeln, die (noch) nicht in der Taxonomie erfasste Nachhaltigkeitskriterien abdecken.

Transparenz und Offenheit in Bezug auf Verfahren und Methodik

Transparenz und Offenheit sind besonders wichtig – vor allem dann, wenn es um Aktivitäten des öffentlichen Sektors geht. 

Die Informationen über die Methodik und Begründungen sowie über das Verfahren zur Entwicklung der Taxonomie einschließlich der Bezugnahme auf Standards, Definitionen, Klassifizierungssysteme, konsultierte Fachleute usw. sollten umfassend dokumentiert und öffentlich zugänglich gemacht werden.

Die Kommentierung steht auch als PDF zum Download bereit.

Weiterführende Informationen

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