Initiative des Rats für Nachhaltige Entwicklung (RNE)

Diskussion um Hub for Sustainable Finance in Deutschland – CRIC beteiligt sich an Konsultation zum Living Document

Mit seiner Initiative zu einer Debatte um ein Hub for Sustainable Finance (H4SF) hat der Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) auf entsprechende Aktivitäten in anderen europäischen Ländern und Finanzzentren reagiert.

Für die Diskussion hat der RNE ein Ideenpapier – Living Document genannt – veröffentlicht, zu dem noch bis zum 15. September eine Konsultation läuft. CRIC hat sich hier eingebracht und macht sich insbesondere für ein umfassendes Nachhaltigkeitsverständnis, die Bedeutung von Engagement und aktivem Aktionärstum für Nachhaltigkeit und die Berücksichtigung der Investierenden in ihrer ganzen Bandbreite stark.

Der Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) diagnostiziert Deutschland, im europäischen Vergleich beim Thema Sustainable Finance hinterher zu hinken. Um hier Abhilfe zu schaffen, hat das Gremium, das die Bundesregierung zu Fragen der Nachhaltigkeit berät, im März dieses Jahres eine Debatte um ein Hub for Sustainable Finance (H4SF) initiiert. Die Diskussion wird mithilfe eines Living Document geführt, dessen ersten Entwurf RNE-Mitglied Prof. Alexander Bassen, der Leiter des UN-Entwicklungsprogramms und ehemaliges RNE-Mitglied Achim Steiner und RNE-Generalsekretär Prof. Günther Bachmann verfasst haben.

Im Rahmen einer ersten Konsultation, zu der am 12. Juni Vertreter und Vertreterinnen aus Politik, Finanzindustrie und Zivilgesellschaft eingeladen waren, ist das Living Document weiterentwickelt und am 23. Juni in einer zweiten Fassung veröffentlicht worden. Im Vergleich zur ersten Version hat sich unter anderem geändert, dass nicht mehr von Green, sondern von Sustainable Finance die Rede ist.  Daneben sind Themen wie nachhaltige Anlagen und treuhänderische Pflichten, eine mögliche Nachhaltigkeitsanleihe des Bundes und Exportfinanzierungspolitik hinzugekommen. Mit der Veröffentlichung der zweiten Fassung hat der RNE zugleich eine Konsultation gestartet, die am 15. September endet. CRIC hat sich mit Anregungen in die Debatte eingebracht (mehr dazu unten).

Zunächst ist die Initiative des RNE aus Sicht von CRIC nicht nur vor dem Hintergrund der globalen Herausforderungen, sondern auch und gerade zum gegenwärtigen Zeitpunkt begrüßenswert und wichtig. Denn der Befund des RNE, Deutschland habe in Sachen Sustainable Finance Nachholbedarf, bestätigt sich bei einem Blick über die Landesgrenzen hinaus. Beispielsweise sind 2016 in London und Paris Initiativen zu Green bzw. Sustainable Finance gegründet worden.  Zu nennen sind zudem der 2016 ins Leben gerufene Luxembourg Green Exchange, die 2017 an den Start gegangene Stockholmer Initiative Green Digital Finance, die Borsa Italiana mit ihrem 2017 eingeführten Marktsegment zu Green and Social Bonds und andere mehr.

In Italien ist 2016 außerdem ein National Dialogue on Sustainable Finance zum Abschluss gekommen. Daneben ist es der Italienischen Republik zu verdanken, als diesjähriger G7-Gastgeber den Beitrag der Finanzzentren für eine nachhaltige Entwicklung auf die internationale politische Agenda gesetzt zu haben. Die von der EU-Kommission eingesetzte High-Level Expert Group on Sustainable Finance (HLEG) hat in ihrem Interim Report die Bedeutung von Green Financial Centres ebenfalls hervorgehoben.

Auch vor dem Hintergrund dieser Initiativen ist es damit unabdingbar, zu diskutieren, wie Deutschland gemeinsam mit anderen Ländern und Finanzzentren die Entwicklung von Nachhaltigkeit vorantreiben, sich zugleich an einem Race to the Top beteiligen und diesen Wettbewerb um die besten Konzepte gezielt fördern kann.

Mit Blick ins Landesinnere tut sich ebenfalls einiges. So ist im Integrierten Klimaschutzplan Hessen 2025 vorgesehen, ein Green Finance Innovation Cluster am Finanzplatz Frankfurt zu schaffen. Parallel zur RNE-Initiative hat die Deutsche Börse im Mai eine Frankfurter Erklärung veröffentlicht und damit die Accelerating Sustainable Finance Initiative – die  auch von CRIC unterstützt wird – gestartet. Der RNE und die Deutsche Börse haben mittlerweile eine strategische Zusammenarbeit für eine nachhaltige Finanzwirtschaft beschlossen.

Bei all diesen Initiativen und Aktivitäten sieht CRIC seine Rolle darin, sich für einen umfassenden Nachhaltigkeitsbegriff stark zu machen. Denn zum aktuellen Zeitpunkt ist es keineswegs ausgemacht, wie ernsthaft die Absichtserklärungen sind und wie breit das Verständnis dessen, was in sozialer und ökologischer Hinsicht für die Entwicklung eines nachhaltigen Finanzmarkts maßgebend ist.

Konkret mit Blick auf das Living Document des RNE steuert CRIC folgende Anregungen bei:

Die Sustainable Development Goals (SDG)s anstelle der Green Economy als Orientierungsrahmen definieren:

Mit der Agenda 2030 sind die beiden globalen Perspektiven Umwelt und Entwicklung zu einem Strang zusammengeführt worden. Drei Jahrzehnte nach der Veröffentlichung des Abschlussberichts der UN-Kommission für Umwelt und Entwicklung (Brundtland-Bericht) wird damit wieder explizit auf die gesellschaftlich-soziale und ökologische Dimension von Nachhaltigkeit und damit auf ein umfassendes Nachhaltigkeitsverständnis hingewiesen.

Die 17 SDGs der Agenda 2030 kennzeichnen einen Paradigmenwechsel in Richtung einer tiefgehenden globalen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft. Hierbei geht es zugleich um ökologische und soziale Aspekte, das heißt um Nachhaltigkeit in einem umfassenden Sinn. Mit einem Fokus auf die Green Economy besteht die Gefahr, ökologische Herausforderungen in einem weitgefassten Sinne und vor allem soziale Fragen zu vernachlässigen bzw. als nachgeordnete, sich etwa aus dem Klimawandel ergebende Probleme zu begreifen. Es ist deswegen von zentraler Bedeutung, der Debatte ein umfassendes Nachhaltigkeitsverständnis zugrunde zu legen. Hierfür bieten die SDGs eine hilfreiche Grundlage.

Die Rolle der Finanzwirtschaft reflektieren und hierbei bisherige Erfahrungen und das Know-how spezialisierter Akteure einbeziehen:

In der Tat ist es notwendig, die Rolle der Finanzwirtschaft mit Blick auf die globalen sozialen und ökologischen Herausforderungen zu überdenken. Hierbei sollten zum einen bisherige Erfahrungen – auch aus der jüngeren Vergangenheit – und das Know-how spezialisierter Akteure einfließen, und zum anderen eine Ausrichtung an den Aufgaben, die sich aus den SDGs ergeben, maßgeblich sein.

Den Kreis der Beteiligten erweitern:

Es ist beachtlich, wie breit der H4SF bereits diskutiert worden ist. Diese Offenheit sollte auch im Living Document selbst deutlich werden, indem dort explizit alle in die Finanzwirtschaft Involvierten und von ihr Betroffenen als Adressatenkreis genannt werden – und nicht nur die interessierten Kreise aus der Finanzwirtschaft.

Bisherige Erfahrungen und Vorarbeiten berücksichtigen:

Die Debatte um Sustainable Finance in Deutschland kann auf umfassenden Erfahrungen und Vorarbeiten aufbauen. So sind gerade auch in der letzten Zeit Empfehlungen für die Entwicklung einer nachhaltigen Finanzwirtschaft erarbeitet worden, etwa vom Fachforum Nachhaltiges Wirtschaften. Zudem befassen sich einige Organisationen und Verbände, darunter auch CRIC, seit vielen Jahren und teils seit Jahrzehnten mit dem Thema, weswegen deren Know-how im Diskussionsprozess ebenfalls explizit Berücksichtigung finden sollte.  

Den deutschen ethisch-nachhaltigen Finanzmarkt als Teil der Besonderheiten des hiesigen Finanz-systems verstehen:

Es ist wichtig, die finanzpolitischen Besonderheiten Deutschlands zu reflektieren und sich auch die Stärken des historisch gewachsenen Finanzmarkts und seiner Struktur bewusst zu machen. Hierzu gehört seit vielen Jahren auch ein sich stetig weiter entwickelnder ethisch-nachhaltiger Finanzmarkt mit den entsprechenden Akteuren – von Nachhaltigkeits-Rating-Agenturen, über sozial und ökologisch ausgerichtete Banken, spezialisierte Finanzberaterinnen und -berater, ethisch orientierte Asset Owner, Anbieter von nachhaltigen Investmentprodukten sowie Häusern mit langer Tradition, die Nachhaltigkeit als ein wichtiges Geschäftsfeld entschieden vorantreiben. Gerade auch diesen Teil des Marktes gilt es, ins Auge zu fassen, wenn es um den Beitrag der deutschen Finanzwirtschaft für eine nachhaltige Entwicklung geht.

Engagement und aktives Aktionärstum für Nachhaltigkeit weiterentwickeln:

Es ist von elementarer Bedeutung, dass im Living Document neben Divestment und Ausschlusskriterien explizit die Bedeutung positiver Ansätze hervorgehoben wird. Hierzu gehören auch das Aktive Aktionärstum und Dialoge von Investoren mit Unternehmen, das so genannte Engagement. Beiden kann mit Blick auf Nachhaltigkeit ein hohes Wirkungspotenzial zugesprochen werden, das gerade in Deutschland noch umfassender und gezielter eingesetzt und weiterentwickelt werden sollte.

Erweiterung des magischen Dreiecks über das magische Viereck hinaus:

Die aktuell primären Parameter bei Anlageentscheidungen – Liquidität, Sicherheit und Rendite – sollten nicht lediglich um den Aspekt Nachhaltigkeit ergänzt, sondern vielmehr ganzheitlich in einen ethisch-nachhaltigen Reflexionsrahmen eingebettet werden. Für verantwortlich Investierende sind sowohl die finanzielle als auch die ethische Dimension einer Geldanlage von Bedeutung. Hierbei geht es darum, auch in ethisch herausfordernden Situationen gemäß den eigenen Überzeugungen handeln und etwaige gegenläufige moralische Ansprüche verantwortungsvoll gegeneinander abwägen zu können. 

Weiterbildung der Akteure des Finanzmarkts – auch durch die Finanzwirtschaft selbst:

Wie im Dokument beschrieben, ist es von zentraler Bedeutung, Nachhaltigkeit in die Curricula der formellen und informellen Bildung aufzunehmen. Daneben besteht jedoch auch in der Finanzwirtschaft ein großer Bedarf an Bildung und Weiterbildung zu Nachhaltigkeitsthemen, dem mit entsprechenden Maßnahmen begegnet werden sollte.

Investierende explizit einbeziehen:

Bislang finden Asset Owner im Living Document wenig Berücksichtigung. Dabei kommt gerade ihnen mit Blick auf eine nachhaltige Entwicklung und die Umsetzung der SDGs eine Schlüsselrolle zu. Dies gilt nicht nur für Versicherungen, Pensionsfonds und Banken, sondern ebenso für primäre Asset Owner wie gemeinnützige und kirchliche Organisationen, Stiftungen, Universitäten, akademische Einrichtungen und Unternehmen in ihrer Rolle als Investoren.

CRIC hat seine Anregungen beim RNE eingereicht und wird den weiteren Verlauf der Debatte mit großem Interesse verfolgen und sich weiterhin gerne aktiv einbringen.

Zum Weiterlesen:

Rat für Nachhaltige Entwicklung

Weitere Initiativen aus Deutschland und Empfehlungen für eine nachhaltige Finanzwirtschaft

 Initiativen und Debatten zu Sustainable Finance in anderen europäischen Ländern (Auswahl)

Zu Finanzzentren

 

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