Wie hat sich die ÖGUT-Zertifizierung für nachhaltige Vorsorge- und Pensionskassen seit ihrer Einführung weiterentwickelt, welche Wirkung hat sie entfalten können und was sind die Pläne für die Zukunft? CRIC hat mit der Leiterin der Nachhaltigkeitszertifizierung, Mag. Susanne Hasenhüttl, über diese und weitere Fragen gesprochen.
CRIC: Frau Hasenhüttl, dieses Jahr hat die ÖGUT bereits das 15. Mal die Nachhaltigkeits-zertifizierung für Vorsorge- und Pensionskassen vergeben. Wie hat sich das Thema seit 2004 verändert und weiterentwickelt? Welchen Beitrag konnte hierzu die Zertifizierung leisten?
Hasenhüttl: Als wir 2003 mit erstmaliger Vergabe im folgenden Jahr damit begonnen haben, die betrieblichen Vorsorgekassen zu prüfen, war es gewissermaßen ein Experiment. Dazu muss ich sagen, dass von einzelnen Vorreitern unter den Kassen der Wunsch nach einer Nachhaltigkeitszertifizierung ausgesprochen wurde. „Ins Blaue hinein“ haben wir die Prüfung also nicht entwickelt. Nachdem nachhaltige Geldanlagen zu dieser Zeit ein richtiges Orchideenthema war, wurde die Prüfung jenseits der kleinen Nische auch nicht wirklich wahrgenommen. Erst mit den Jahren, als das Thema generell an Fahrt aufgenommen hat, wurde es vielen bewusst, welche Vorreiter unter den institutionellen Investoren wir hier in Österreich haben. Dazu hat unsere Prüfung und Zertifizierung sicherlich beigetragen. Seit 2015 lassen sich alle derzeit acht betrieblichen Vorsorgekassen prüfen und zertifizieren – also die gesamte Branche! Eine Konsequenz daraus ist, dass die Kassen explizit zertifizierte Finanzprodukte für ihr Portfolio nachfragen. Das wiederum hat die Nachfrage beispielsweise nach Fonds, die mit dem Österreichischen Umweltzeichen für Nachhaltige Finanzprodukte ausgezeichnet sind, angekurbelt.
CRIC: Die Zertifizierung gibt es in Bronze, Silber und Gold. Inwieweit wirkt das motivierend auf die Vorsorge- und Pensionskassen, sich stärker im Thema Nachhaltigkeit zu engagieren und besser zu werden? Und umgekehrt gefragt: Werden Kassen, die sich möglicherweise gerade dem Thema Nachhaltigkeit zuwenden oder zuwenden wollen, dadurch möglicherweise abgeschreckt?
Hasenhüttl: Zu Beginn wurde bei positivem Abschluss der Prüfung das Zertifikat vergeben, ohne eine Differenzierung in der Auszeichnung vorzunehmen. Erst nach einigen Jahren haben wir die Modalitäten verändert und eine Gold-, Silber- und Bronze-Auszeichnung eingeführt. Dies hat sich sehr positiv auf die Entwicklung ausgewirkt. Die meisten streben seither nach „Gold“, was gut für die Qualität und das Heben des Standards ist. Abgeschreckt haben wir dadurch jedenfalls niemanden.
CRIC: In den letzten Jahren hat sich mit Blick auf Nachhaltigkeit und nachhaltige Finanzen einiges bewegt. Als Stichworte seien hier die Agenda 2030 der Vereinten Nationen und der EU-Aktionsplan zu Sustainable Finance genannt. Können Sie beschreiben, inwieweit dies speziell Debatten zu Nachhaltigkeit bei Vorsorge- und Pensionskassen in Österreich beeinflusst hat?
Hasenhüttl: Die betrieblichen Vorsorgekassen sehen diese Entwicklung sicherlich positiv. Ich denke, sie fühlen sich gut vorbereitet auf mögliche Vorschriften und Regularien und bestätigt in ihrem langjährigen Tun, Nachhaltigkeit in die Veranlagungspolitik zu integrieren. Bei den Pensionskassen ist die Situation eine andere, denn hier gibt es in Sachen Nachhaltigkeit noch viel Luft nach oben. Sie stehen einer möglichen Regulierung und verstärkten Pflicht zu Nachhaltigkeit im Großen und Ganzen sehr skeptisch gegenüber.
CRIC: Wie hat sich die Zertifizierung selbst weiterentwickelt??
Hasenhüttl: Ursprünglich hatten wir ein Team von Gutachtern und Gutachterinnen. Die ÖGUT hatte die Rolle der Initiatorin und Organisation. Seit einigen Jahren führen wir die komplette Begutachtung der Kassen durch. In einer zweiten Ebene arbeiten wir mit einer Expertenjury zusammen, um zu einem finalen Prüfergebnis zu kommen. Die Auszeichnung mit den Nachhaltigkeitszertifikaten erfolgt dann in Kooperation mit dem Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus. Eine weitere Veränderung betrifft die oben angeführte Vergabe in Gold, Silber oder Bronze. Zudem verschärften sich die Kriterien über die Jahre. Im letzten Jahr wurde etwa das Ausschlusskriterium Kohle für die Bewertung der Portfolios neu aufgenommen.
CRIC: Aktuell sind acht betriebliche Vorsorgekassen zertifiziert und eine Veranlagungs- und Risikogemeinschaft einer Pensionskasse. Gibt es konkrete Pläne, speziell Pensionskassen stärker anzusprechen?
Hasenhüttl: Bisher sind unsere Bemühungen, weitere Pensionskassen ins Boot zu holen, auf wenig fruchtbaren Boden gefallen. Wir möchten die Pensionskassen sowie auch die Versicherungsunternehmen im nächsten Jahr verstärkt ansprechen, nicht zuletzt aufgrund der Entwicklungen auf europäischer Ebene. Es gibt für diese Einrichtungen noch ausreichend Möglichkeiten, sich als Vorreiter in der nachhaltigen Veranlagung zu etablieren. Wir sehen aber auch in Deutschland und der Schweiz bei Pensionsvorsorgeeinrichtungen viel Potenzial für unsere Nachhaltigkeitszertifizierung.
Mag. Susanne Hasenhüttl ist Leiterin der Nachhaltigkeitszertifizierung für betriebliche Vorsorge- und Pensionskassen und hat den Bereich „Nachhaltiger Finanzmarkt“ in der ÖGUT aufgebaut.
Das Interview ist am 29. November in einem Kurz-Bericht von CRIC mit dem Titel Nachhaltigkeit in der betrieblichen Altersversorgung. Investors-Engagement bei den DAX-Unternehmen und ein Blick über die Landesgrenzen hinaus erschienen.
Informationen zur ÖGUT-Zertifizierung
Seit 2004 prüft und zertifiziert die ÖGUT (Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik) Vorsorge- und Pensionskassen nach ethischen, ökologischen und sozialen Kriterien. Geprüft werden die drei Bereiche: Grundsätze & Methodik, Portfolio sowie Umfeld.
Es werden die Veranlagungsgrundsätze und die Veranlagungskriterien, etwa Positiv- und Negativkriterien sowie Ausschlusskriterien, aber auch das Research und die Kontrolle bezüglich der Einhaltung der Kriterien in der Vorsorgekasse geprüft. Die Prüfung des Portfolios hat das Ziel, die tatsächliche Veranlagung im Berichtszeitraum zu untersuchen. Im Sinne des Konzepts der Nachhaltigkeit versucht die gegenständliche Prüfung neben der Veranlagung auch das Umfeld der Vorsorgekasse einzubeziehen. Dies umfasst die Analyse der Kommunikation und Transparenz bezüglich Nachhaltigkeit, des Engagement-Ansatzes und des Themas Nachhaltigkeit im Kontext der Vorsorgekasse, etwa betriebsökologische Aspekte, die Politik bezüglich des Umgangs mit den Angestellten oder Corporate Citizenship.
Die jährliche Nachhaltigkeitsprüfung wird zusammen mit einer Jury und in Kooperation mit dem Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus auf freiwilliger Basis durchgeführt.